Gedenkorte in Laatzen
Das Ehrenmal in Gleidingen
Am zweiten Sonntag vor dem 1. Advent finden in Laatzen (und in vielen anderen Städten und Gemeinden in Deutschland) anlässlich des Volkstrauertages seit vielen Jahren öffentliche Gedenkveranstaltungen statt. 2020 und 2021 verzichtete die Stadt Laatzen wegen der Corona-Infektionslage auf die traditionellen Gedenkveranstaltungen an den Kriegs- und Ehrenmalen in den Laatzener Ortsteilen. Stattdessen gab es eine zentrale Gedenkstunde vor dem Rathaus im kleinen Kreis. Auch 2022 wird es eine zentrale Gedenkveranstaltung vor dem Rathaus geben. Anschließend geht es in den verschiedenen Ortsteilen weiter. In Gleidingen etwa wird die Ortsbürgermeisterin Silke Rehmert in der Kapelle einige Wort des Gedenkens sprechen. Dabei wird sie vom Gleidinger Männerchor Orpheus unterstützt. Danach werden die Kränze im Schweigemarsch zum Gedenkstein gebracht und dort niedergelegt. Zum Abschluss wird an den Gedenksteinen die Nationalhymne gesungen.
In der lokalen Presse wurde in den vergangenen Jahren umfangreich über das Ehrenmal in Alt-Laatzen berichtet. Daher soll es an dieser Stelle um eine andere Laatzener Gedenkstätte gehen: das Ehrenmal in Gleidingen. Die Geschichte des Gleidinger Ehrenmals begann im Jahre 1871. Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870 bis 1871 dienten etwa ein Dutzend Gleidinger im preußischen Heer. Zwei von ihnen, die Brüder Heinrich und August Hummelke, kehrten nicht zurück. Sie und die weiteren Kriegsteilnehmer werden auf dem Gedenkstein genannt, der am 18. Juni 1871 auf dem Thie eingeweiht wurde. Beim Thie handelte es sich um einen alten Gerichtsplatz. Im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 wurden über 200 Gleidinger Väter, Ehemänner und junge Männer von ihren Familien getrennt. Rund ein Viertel von ihnen fiel im Krieg oder erlag den Kriegsfolgen. Das durch Sammlungen des Kriegervereins und unter Beteiligung der Gemeinde Gleidingen finanzierte Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges wurde am 1. Oktober 1925 der Öffentlichkeit übergeben. 49 Namen stehen auf dem Ehrenmal, das neben dem Gedenkstein für die Kriegsteilnehmer des Deutsch-Französischen Krieges auf dem Thieplatz errichtet wurde. Wenige Jahre später folgte die nächste Katastrophe: Im Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945 wurden aus Gleidingen etwa 500 Männer zum Kriegsdienst eingezogen.
Der Wunsch, den Gefallenen und Vermissten des Krieges eine Gedenkstätte zu errichten, entstand bereits kurz nach Kriegsende. Wegen der Ungewissheit über das Schicksal vieler Vermisster ließ der Rat der Gemeinde die Schaffung des Ehrenmals immer wieder zurückstellen. Doch gaben die Meldungen über Heimkehrertransporte neue Hoffnung und unter den letzten Transporten um die Jahreswende 1955 befanden sich Gleidinger Angehörige. Daher beschloss der Rat der Gemeinde Gleidingen am 25. Juli 1956 einmütig die Errichtung des Ehrenmals auf der Gedenkstätte in der Dorfmitte, denn: „11 Jahre nach Kriegsende sind vergangen und wir sind es den Opfern des letzten Weltkrieges schuldig“. Es bildete sich ein vom Rat gewählter Ehrenmal-Ausschuss, dem die Vorbereitung und Organisation der Einweihungsfeier oblag. In den Wochen vor der Einweihung wurde die Gedenkstätte würdig hergerichtet: Altes Buschwerk musste verschwinden, neue Ziersträucher wurden angepflanzt, der Zaun wurde gestrichen und der Platz mit Weserkies bestreut.
Und so fand am Sonntag, 14. Oktober 1956 vormittags um 10.30 Uhr in der Gemeinde Gleidingen unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Einweihung des Ehrenmales für die Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges statt. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, wurde der gesamte Kraftfahrzeugverkehr durch die Ringstraße und Osterstraße umgeleitet. Die großen kultur- und sportfördernden Vereine einschließlich Feuerwehr waren eingeladen und nahmen entlang des Bürgersteiges rund um die Gedenkstätte Aufstellung. Die Angehörigen sowie die Einwohnerinnen und Einwohner versammelten sich dahinter auf der Hildesheimer- sowie Thiestraße (heute: Thorstraße). Für die musikalische Untermalung der öffentlichen Veranstaltung zeichnete die 25 Mann starke Werkskapelle der Kali-Chemie A.G. aus Sehnde sowie der Männergesangsverein Orpheus aus Gleidingen verantwortlich. Die Begrüßung der Angehörigen, Gäste und Bevölkerung sowie die Enthüllung und Übergabe des Ehrenmals an die Gemeinde wurde vom Gleidinger Bürgermeister Friedrich John durchgeführt. Die Gedenkrede hielt der Landrat des Landkreises Hildesheim-Marienburg (zu dem Gleidingen damals noch gehörte) Böllersen. Damit auch die weiter entfernt stehende Bevölkerung etwas verstehen konnte, wurden die Ansprachen durch Lautsprecher übertragen. Auf dem aufgestellten Gedenkstein sind 96 Namen Gleidinger Männer aller Altersklassen verzeichnet, die ihr Leben geben mussten. Dazu kommen noch 37 Namen von Angehörigen der Flüchtlinge und Vertriebenen, die in Gleidingen eine neue Heimat fanden. Somit waren die Ehrenmäler für die Gefallenen des Krieges von 1870/1871 sowie des 1. und 2. Weltkrieges in einer Gedenkstätte zusammengefasst. Die Betreuung übernahm die Gemeinde Gleidingen.
In Folge des zunehmenden Kraftfahrzeugverkehrs beabsichtigte der Landkreis Hildesheim 1964 die Ortsdurchfahrt Hildesheimer Straße zu verbreitern. Aus diesem Grund empfahl das Straßenbauamt Hildesheim die Entfernung des in unmittelbarer Nähe der Kreuzung Hildesheimer Str. – Thiestraße befindlichen Ehrenmals. Daraufhin schlug die Gemeinde Gleidingen ein Teilstück der Gartenfläche „Alte Schule“ an der Hildesheimer Str. 64 als neuen Platz vor. Die Entfernung zum bisherigen Standort betrug etwa 350 Meter. Das an den Friedhof angrenzende Stück war etwas weiter von der Ortsdurchfahrt Hildesheimer Str. entfernt und daher nicht unmittelbar von der Straßenverbreiterung betroffen wie der alte Standort am Thieplatz. In dem Protokoll zur Ratssitzung vom 26.10.1964 heißt es dazu: „Am 1.10.1964 hat wegen der Verlegung des Kriegerdenkmals eine Ortsbesichtigung mit Oberbaurat Mänz und Baurat Manig stattgefunden. Beide Herren sind grundsätzlich mit der Verlegung auf ein Teilstück der Gartenfläche ‚Alte Schule‘ einverstanden und empfehlen die Zeichnungen von einem Landschaftsgestalter herstellen zu lassen.“ Der Rat kam dann zu folgendem Beschluss: „Die Verwaltung wird beauftragt, Herrn Dr. Werkmeister, Hildesheim zur Herstellung eines Kostenbildes nach Ortsbesichtigung aufzufordern.“ Am 16. Dezember 1965 stellte die Gemeinde Gleidingen einen Bauantrag beim Landkreis Hildesheim-Marienburg. Am 11. Februar 1966 reagierte der Landkreis mit einer Stellungnahme des Regierungspräsidenten: „Der für die Ehrenmalanlage ausgewählte Platz ist, wie bereits durch gemeinsame Ortsbesichtigung festgestellt wurde, für diesen Zweck geeignet. Gegen die Wiederverwendung der drei alten Denkmäler wird man nichts einwenden können, sofern bei der Neuaufstellung alles überflüssige Beiwerk fortgelassen wird.“
Der ehemalige Schulgarten wurde zum 17. Juni 1966 mit den drei Gedenksteinen wirkungsvoll umgestaltet. Noch heute kann das Ehrenmal an diesem Standort an der „Alten Schule“ in der Hildesheimer Str. 564 besichtigt werden.