Die Arbeitsschlacht 1933/1934 in Laatzen
Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit durch die Nationalsozialisten
„Die Gemeinde Laatzen befindet sich in einer ausserordentlich schlechten finanziellen Lage, welche insbesondere dadurch hervorgerufen ist, dass alle im Gemeindebezirk befindlichen industriellen Betriebe, die als Arbeitgeber für eine grössere Belegschaft sowohl wie als Steuerzahler in Frage kommen, eingegangen sind und die ständig steigenden Wohlfahrtslasten die Gemeinde ausserordentlich stark belasten.“
1932 – in Deutschland gibt es weit über sechs Millionen Arbeitslose. Die sich aus dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929 entwickelnde Weltwirtschaftskrise hatte auch Deutschland mit voller Wucht erfasst. Neben der Massenarbeitslosigkeit waren Firmenzusammenbrüche und Bankenschließungen einschneidende Folgen der Weltwirtschaftskrise. Für die Nationalsozialisten, die seit dem 30. Januar 1933 an der Macht waren, war die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit eines der wichtigsten Anliegen. Durch mächtige Arbeitsbeschaffungsprogramme wollte die NS-Regierung die Arbeitslosen von der Straße holen. Dies wurde in dem für die Nationalsozialsten typischen martialischen Ton als „Arbeitsschlacht“ bezeichnet.
Das ist der Kontext, in dem sich die Gemeinde Laatzen in dem eingangs zitierten Schreiben vom 10. Mai 1933 an den Kreisausschuss in Hannover wandte. Offensichtlich wurden Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten nicht direkt umgesetzt bzw. zeigten noch keine Wirkung. Denn fünf Monate später, am 10. Oktober 1933 wandte sich der Laatzener Bürgermeister Heinrich Neelmeier in einem Schreiben an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hannover. Demnach zählte die Gemeinde Laatzen weit über 200 erwerbslose Personen. Neelmeier beschrieb des Problem folgendermaßen: „Die Bemühungen der Gemeinde und der Ortsgruppenleitung der NSDAP in Laatzen, noch weitere Volksgenossen in den Arbeitsprozeß zu überführen, können aber leider keine wesentlichen Erfolge mehr zeitigen, weil die Arbeitsmöglichkeiten in Laatzen sehr beschränkt sind. Laatzen ist eine reine Arbeiterwohnsitz-Gemeinde. Das Gros der Arbeiterschaft ist, soweit sie überhaupt im Arbeitsprozeß steht, in Hannover beschäftigt. Neben verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben sind in der Hauptsache nur noch Handel und Gewerbe vertreten. […] Projekte, die zur Belebung des Arbeitsmarktes, im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms durchgeführt werden könnten, sind im Orte nicht vorhanden.“
Hinzu komme die starke Verschuldung der Gemeinde, die laut dem Bürgermeister eine Million betrug. Eine Erklärung dafür lieferte Heinrich Neelmeier auch: „Diese Zustände sind zurückzuführen auf die Mißwirtschaft der in den vergangenen Jahren in der Gemeinde vertreten gewesenen Linksmehrheit.“ Um „wieder zu geordneten Verhältnissen zu kommen“, müsste „der größte Teil der noch erwerbslosen Volksgenossen der Gemeinde Laatzen in den Arbeitsprozeß gebracht werden“, um „dadurch die hohen Unterstützungslasten“ einzusparen. Um dieses Ziel zu erreichen, bat der Laatzener Bürgermeister um die Unterstützung des Landesarbeitsamtes Hannover. Als konkrete Maßnahme schlug er die Unterstützung der wenigen noch ansässigen Industrieunternehmen vor, beispielsweise durch „bevorzugte Berücksichtigung bei Vergebung von Staatsaufträgen“. Als Beispiel nannte er die Vergabe von Aufträgen der Reichsbahn an die Firma Ostermann & Co. in Laatzen. Neelmeier schloss seinen Brief noch einmal mit einer Bitte: „Da die Gemeinde Laatzen in Bezug auf die Zahl der Arbeitslosen von sämtlichen Gemeinden des Landkreises Hannover mit an oberster Stelle steht, und Laatzen neben […] einigen ganz wenigen Ortschaften als Notstandsgebiet anzusehen ist, hoffe ich, daß meine Bitte auf Unterstützung auch bei Ihnen Verständnis findet.“
Die „Arbeitsschlacht“ wurde 1934 fortgeführt. Anlässlich der am 21. März beginnenden „Arbeitsschlacht“ wandte sich der Laatzener Bürgermeister und NSDAP-Ortsgruppenleiter Heinrich Neelmeier am 12. März 1934 an die „Laatzener Volkgenossen“. Am 21. März könne „jeder beweisen, daß er am Aufbau unseres Vaterlandes mithelfen will, jeder soll helfen, indem er Arbeit gibt.“ Konkret könnte man durch das Erteilen von Aufträgen an Handwerk, Handel und Gewerbe helfen. Dazu sollte der anliegende Fragebogen ausgefüllt werden. Als Belohnung würde der Name in das „Buch der Arbeit“ eingetragen werden. Am Ende des Aufrufs appellierte der Ortsgruppenleiter noch einmal an die Laatzener: „Am 21. März müssen die Laatzener Geschäfte überfüllt sein.“ Einige hundert Kilometer weiter südlich eröffnete Adolf Hitler an der Reichsautobahn-Baustelle Unterhaching bei München vor rund 10.000 Anwesenden die zweite "Arbeitsschlacht".
Sechs Tage später wandte sich abermals der Ortsgruppenleiter der NSDAP Laatzen an die Gauleitung Südhannover-Braunschweig. Zwar sei auch die Gemeinde Laatzen „mit allen verfügbaren Kräften und unter Einsatz aller ihr zu Gebote stehenden Mittel […] bemüht, zu ihrem Teil zum Erfolg der eingeleiteten Arbeitsschlacht zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit beizutragen.“ Doch waren die in Folge der Weltwirtschaftskrise auftretenden Firmenzusammenbrüche auch in Laatzen noch ein großes Problem: „Bedauerlicherweise sind die meisten im Gemeindebezirk liegenden Industrien der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre zu Opfer gefallen.“ Die bereits im Schreiben aus dem Mai 1933 erwähnte Firma Ostermann & Co. habe zwar vor annähernd zwei Jahren den Betrieb wiedereröffnet, sei aber noch lange nicht in der Lage, „die stark notleidende Gemeinde wesentlich von ihren Arbeitslosen zu entlasten. Ortsgruppenleiter Neelmeier sah es als Pflicht der Gemeinde, die Firma dabei zu unterstützen, wieder mehr Aufträge zu bekommen und dadurch weitere Arbeiter einzustellen. Vor der Weltwirtschaftskrise lieferte die Firma Ostermann der Firma Knorr-Bremse in Berlin zu. Diese Geschäftsbeziehung sollte wieder intensiviert werden und so bat Neelmeier die Gauleitung, bei der Firma Knorr-Bremse wegen der Zuteilung von Aufträgen an die Firma Ostermann vorstellig zu werden.
Als weitere Maßnahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms werden in der Akte Instandsetzungs- und Ergänzungsarbeiten an öffentlichen Gebäuden, Arbeiten an Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser und Elektrizität sowie Tiefbauarbeiten genannt. Ferner ist von einer Bekämpfung von „Schwarzarbeit, […] Doppelverdienertum und Frauenarbeit“ die Rede. Konkrete geplante Maßnahmen im Rahmen der Arbeitsschlacht in Laatzen waren Wegearbeiten wie die Aufschüttung des öffentlichen Weges nach Wilkenburg, die Befestigung des Fußweges an der Eichstraße, die Ausbesserung der Gemeindebadeanstalt sowie die Umpflasterung der Adolf-Hitler-Straße und Talstraße. Auch sportliche Veranstaltungen wurden in die „Arbeitsschlacht“ einbezogen: Ende Juli 1934 wurde in der Badeanstalt in der Masch ein „deutsches Strand- und Sportfest“ abgehalten. Der Erlös aus den Eintrittsgeldern kam der „Hitlerspende zur Beschaffung von Arbeit“ zugute.
Die „Arbeitsschlacht“ wurde auch in den kommenden Jahren fortgeführt. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs tauschten die meisten Arbeiter ihre Werkzeuge mit Gewehren. Die Frauen wurden in den letzten Kriegsjahren vor allem in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete dann auch das Ende der „Arbeitsschlacht“.