Die Schlacht um Stalingrad und die Gefallenen der Gemeinde Laatzen im Zweiten Weltkrieg
Briefe geben Auskunft
„Seien Sie tapfer, denn ich habe heute die ernste Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr lieber Mann, der Gefreite A., heute früh durch Granatsplitter den Heldentod für Führer, Volk und Vaterland gefunden hat.“
In diesen Tagen vor 80 Jahren war die Situation für die eingekesselten deutschen Soldaten der 6. Armee der Wehrmacht in Stalingrad bereits aussichtlos. Der Kampf um Stalingrad, eine der grausamsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges, neigte sich ihrem Ende entgegen. Dabei begann es für die deutschen Truppen vielversprechend: Im Sommer 1942 rückte die 6. Armee der Wehrmacht zusammen mit Verbündeten auf Stalingrad vor. Die deutsche Luftwaffe bombardierte die Stadt, Zehntausende Zivilsten starben. Anschließend eroberten die Angreifer fast die ganze Stadt. Doch das Blatt wendete sich. Die Rote Armee der Sowjetunion bekam frische Truppen und kesselte rund 250.000 deutsche Soldaten ein. Etwa 150.000 von ihnen starben in Stalingrad, wobei die meisten verhungerten oder erfroren. Adolf Hitler zeigte sich aber erbarmungslos und befahl der 6. Armee, bis zum „Heldentod“ zu kämpfen. Entgegen der Befehle ergab sich der Generalfeldmarschall Friedrich Paulus Anfang 1943 mit seinen Truppen. Über 90.000 Männer gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nur etwa 6.000 von ihnen kamen bis Mitte der 1950er Jahre nach Deutschland zurück. Die Verluste der Roten Armee in der Schlacht um Stalingrad waren noch wesentlich höher. Für das Deutsche Reich waren die Folgen der verlorenen Schlacht gravierend. Neben den hohen Verlusten wirkte sich die Katastrophe auf die Moral der Zivilbevölkerung aus. Immer mehr Deutsche zweifelten daran, dass Deutschland den Krieg gewinnen kann. So gilt die Schlacht von Stalingrad als einer der Wendepunkte des Zweiten Weltkrieges.
Wie viele Laatzener Soldaten in und um Stalingrad fielen, ist nicht bekannt. Fakt ist jedoch, dass der Zweite Weltkrieg unsägliches Leid über zahlreiche Laatzener Familien brachte. Im Stadtarchiv sind zwei Akten mit Vermisstenmeldungen und vier Akten mit Gefallenenmeldungen an die Angehörigen von Soldaten archiviert. In den Vermisstenmeldungen tauchen 60 Namen Laatzener Männer auf, in den Gefallenenmeldungen sind es gar 99 Namen. Bei der Durchsicht dieser Meldungen und weiterführenden Recherchen fiel auf, dass es eine Familie besonders schlimm erwischte. Zunächst fiel Willi, der älteste Sohn des Ehepaars Wilhelm und Marie A., in den ersten Monaten des Russlandfeldzuges im Spätsommer 1941. Willi war 32 Jahre alt, von Beruf Schneider, mit Käthe verheiratet und hatte zwei Kinder. Das eingangs angeführte Zitat war der Beginn der Gefallenenmeldung des Kompaniechefs an Willis Frau Käthe. Sie sollte versuchen, „diesen großen Schmerz in stolzer Trauer zu tragen, denn er gab sein Höchstes für die Zukunft des Deutschen Reiches“. Was den weiteren Kriegsverlauf anbelangte, gab sich der Kompaniechef von Goßler optimistisch: „Für heute geht der Kampf weiter, er ist hart, aber wir wissen, dass er siegreich sein wird.“
Etwas mehr als ein Jahr später mussten die Eheleute Wilhelm und Marie A. einen zweiten Schicksalsschlag verkraften, der einige Parallelen zum ersten Todesfall aufwies. Ihr zweiter Sohn Kurt fiel ebenfalls im Alter von nur 32 Jahren an der Ostfront durch Granatsplitter. Der Lagerarbeiter Kurt A. war einer der 150.000 deutschen Soldaten, die in und um Stalingrad zu Tode kamen. Er hinterließ seine Ehefrau Hedwig und ein Kind, das die Volksschule in Laatzen besuchte. Auch Hedwig erhielt wie ihre Schwägerin Käthe ein Schreiben des Kompaniechefs, in dem sie über den „Heldentod“ ihres Gatten informiert wurde. In diesem Brief wurde wie in allen anderen Gefallenenmeldungen auf die angebliche Notwendigkeit des Krieges verwiesen: „Möge es Ihnen ein kleiner Trost in Ihrem schwerem Leide sein, daß Ihr Gatte sein Leben gab, damit die Heimat vor den Schrecken des Bolschewismus bewahrt bleibt.“ In dem Schreiben wurde eine Unterstützung der Eltern befürwortet, da nun beide Söhne gefallen waren. Ob und inwiefern Wilhelm und Marie A. tatsächlich unterstützt wurden, lässt sich nicht mehr sagen. Sicher ist aber, dass die Unterstützung kein ganzes Jahr geleistet werden musste, denn die Familientragödie A. hatte noch einen letzten Akt: Am 23. September 1943, einem der dunkelsten Tage in der Geschichte Laatzens, wurden zahlreiche Laatzener durch einen alliierten Bombenangriff getötet – unter ihnen die Eltern Wilhelm und Marie A.