zur Schlagwortwolke
Schwarzweiß Bild mit einer Gruppe von Mensche.

Männergesangsverein Grasdorf

140 Jahre Gesangsgechichte in Grasdorf

„Die Gesangsübungen geschehen vorläufig zweimal in der Woche, abends von 7 ½ bis 9 ½ Uhr. Jedes Mitglied hat sich rechtzeitig einzufinden. Zuspätkommen wird mit 5 Pfg., gänzliches Fehlen mit 10 Pfg. bestraft, wenn der Entschuldigungsgrund nicht genügend ist“

Vor 160 Jahren, am 18. Oktober 1863, wurde der erste Grasdorfer Verein gegründet – der Männergesangsverein (im Folgenden: MGV) Grasdorf. Ein Jahr zuvor kamen bereits Vertreter von 61 Sängerbünden zur Gründung des Deutschen Sängerbundes nach Coburg. Der MGV Grasdorf wurde von fünf Männern gegründet: Dem Lehrer Ferdinand Heuer, dem Vorsteher und Vollköthner Heinrich Meyer, dem Gastwirt Fritz Haase und dessen gleichnamigen Sohn sowie August Flohr. Der Name Männergesangsverein Grasdorf ist bis zu seiner Auflösung 140 Jahre später unverändert geblieben. Die sog. „Statuten“ (d.h. die Vereinssatzung) geben einen interessanten Einblick in die Anfänge des MGV. Der Zweck des Vereins sei die „Pflege des Gesanges und gesellige Erheiterung“. Auch die Vereinsbeiträge wurde in der Satzung festgelegt: Vereinsmitglieder mussten einmalig 1,00 Mark Eintrittsgeld zahlen sowie 0,25 Mark Monatsgeld. Anfangs traf man sich zweimal wöchentlich abends. Pünktlichkeit war den Gründervätern des MGV wichtig, wie das einleitende Zitat aus den Statuten deutlich macht.

Ferdinand Heuer, der 1845 als Lehrer nach Grasdorf kam, war die prägende Figur der ersten zwei Jahrzehnte des MGV. Er war zugleich Küster und Organist und wohnte im alten Küsterhaus bei der Kirche. Heuer war ein sehr beliebter und hochgeschätzter Mann. Er dirigierte den Chor von 1863 bis zu seinem Tode am 6. April 1882. Der Vereinschronik nach soll der Verein in den ersten Jahren ca. 40 Mitglieder gehabt haben, von denen sich 20 – 25 am Singen beteiligten. Konzerte wurden damals noch nicht veranstaltet, vielmehr sang der Chor nur bei besonderen Anlässen. Die ersten Konzerte wurden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gegeben. 1913 wurde das 50-jährige Bestehen des Vereins in Zelten an der Leine gefeiert. Hunderte auswärtige Sänger waren erschienen. Neben Pastor Gerlach sprach „Sangesbruder“ Heinrich Meyer die Festrede. Der Erste Weltkrieg unterbrach 1914 das friedliche Wirken des Chors wie auch aller anderen Vereine. Ein großer Teil der Sänger musste Soldat werden. Einige von ihnen kehrten nicht wieder aus dem Krieg zurück. 1938 stand das nächste Jubiläum an: Unter der Teilnahme von 29 auswärtigen Gesangsvereinen und der Grasdorfer Bevölkerung feierte der MGV die 75. Wiederkehr des Gründungstages. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete der Festzug durch den Ort und die Feierstunde auf dem Sportplatz. Der damalige Vorsitzende Heinrich Könecke hielt die Festansprache. Er konnte sich zum Jubiläum über 145 Mitglieder freuen, von denen 60 aktiv wirkten.

Der Zweite Weltkrieg hatte für ganz Deutschland und so auch für den MGV Grasdorf noch katastrophalere Folgen als der Erste Weltkrieg. Erneut wurden viele Sangesbrüder zum Heeresdienst eingezogen und wieder kehrten einige nicht zurück.

Die Bombennacht vom 22./23.9.1943 war zunächst das Ende jeglicher Vereinstätigkeit. Die Gaststätte Carnehl wurde vollständig niedergebrannt und mit ihr das gesamte Inventar des MGV. Die Gastwirtschaft an der Hildesheimer Straße Ecke Neuer Schlag war seit 1926 das feste Vereins-Übungslokal. Zuvor war man zwischen den ortsansässigen Gastwirten gependelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Gaststätte Haase als erstes Lokal für die Vereine wieder verfügbar. Dem MGV diente sie von 1953 bis zum Umbau 1963 als Vereinslokal. Danach wurde von 1963 bis 2001 in der Mühlenschänke geprobt und getagt.

Infolge des Totalverlustes des Vereinslokals und anderer Umstände, u.a. dem Verbot des Deutschen Sängerbundes im Jahre 1945, wurden die Singstunden eingestellt. Erst im Juli 1953 fanden sich wieder zwölf Sänger zusammen, die wöchentlich regelmäßig Übungsabende abhielten. Zum ersten Vorsitzenden nach dem Krieg wurde Fritz Fischer gewählt. Die Zeit von 1953 bis 1976 war die Blütezeit des Vereins nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Verein stellte sich in der Öffentlichkeit bei den verschiedensten Anlässen vor, z.B. in vielen eigenen Konzerten, beim Chorfest des Nordwestdeutschen Sängerbundes, auf Stadtteilfesten in Laatzen, Jubiläumsfesten befreundeter Vereine und beim Gottesdienst zum Volkstrauertag in der St. Marien Gemeinde Grasdorf. 1963 stellte der MGV zum 100-jährigen Jubiläum in Grasdorf gar ein Fest mit über 1000 Sängern auf die Beine. Für die „Verdienste für die Pflege der Chormusik und des deutschen Volksliedes“ hatte Bundespräsident Heinrich Lübke dem MGV Grasdorf zum 100. Jubiläum zudem die begehrte Zelter-Plakette verliehen. Dieses Ehrenzeichen der Bundesrepublik wurde 1956 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss gestiftet.

 

Bereits in den 1970er Jahren wurde dann aber erkennbar, dass offenbar gerade unter den jungen Menschen das Interesse am Chorgesang stark zurückging. Die Zahl der aktiven Sänger schrumpfte kontinuierlich. 1984 wurde daher eine Singgemeinschaft mit dem Männerchor des Volkschores Grasdorf beschlossen.

Im Jahre 2001 sangen noch acht Aktive seitens des MGV in der Singgemeinschaft. Anfang 2002 wurde die Singgemeinschaft mit dem Volkschor aufgelöst. Ende 2002 gab es zwar noch 26 Mitglieder, aber keine aktiven Sänger mehr. Kein Nachwuchs, keine Zukunft: Der 1. Vorsitzende Otto Könecke, dessen Vater Heinrich Könecke 40 Jahre lang Vorsitzender des MGV war, und seine wenigen verbliebenen Mitstreiter mussten den Verein 2003 auflösen. Den Entschluss für die Auflösung gab der MGV beim gemeinsamen Spargelessen am 22.05.2003 anlässlich des 140-jährigen Jubiläums bekannt. Mit Ablauf des 18. Oktober 2003, also exakt am runden Geburtstag, hörte der Verein auf zu existieren. Die Zelter-Plakette fand zusammen mit anderen Auszeichnungen, Bildern und Unterlagen nach der Auflösung Ende 2003 einen Platz im Stadtarchiv Laatzen.

  • Die Zeitkapsel im Grundstein des Erich Kästner-Schulzentrums

    Am 4. Oktober 1977 wurde der Grundstein für „das größte Bauprojekt der Stadt Laatzen“ gelegt – so titelte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ am 6. Oktober 1977. Und das zweite Schulzentrum der Stadt ...
    [mehr]

  • Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg

    „Herr Gemeindedirektor, ich bitte nochmals höflichst darum, uns beiden alten Menschen die schweren Leiden und Entbehrungen zu erleichtern.“ In unserem Archivale des Monats November haben wir bereits gesehen, dass die Probleme des ...
    [mehr]

  • Entschädigungen für abgetretenes Land wegen Eisenbahnbau

    oder „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“

    „Auf Antrag der Königlichen Eisenbahn-Direction zu Hannover werden alle diejenigen, welche Ansprüche an die Entschädigungsgelder für die innerhalb der Feldmark Lazen […] behuf der Südbahn abgetretenen ...
    [mehr]

  • Kommunale Armenfürsorge nach dem Zweiten Weltkrieg

    „Unterzeichnete sind Flüchtlinge aus Schlesien und dort haben uns die Polen unser ganzes Hab u. Gut geraubt und geplündert, auch unsere Wertsachen, Uhren und unser ganzes Barvermögen haben sie uns gewaltsam entrissen, ...
    [mehr]

  • Erfassung von Kriegspotential in Rethen

    Akte aus dem Bestand Rethen „Angelegenheiten der Militärregierung“

    „Sie werden hiermit beauftragt, eine genaue Meldung über sämtliches Kriegsmaterial in Ihrem Gebiet abzugeben.“ Als die deutsche Wehrmacht kapitulierte und der NS-Staat endgültig zusammenbrach, kam die „Stunde ...
    [mehr]

  • Statut der Ortskrankenkasse des Landkreises Hannover

    Einführung der gesetzlichen Krankenkassen

    „Die Kasse gewährt ihren Mitgliedern a.    eine Krankenunterstützung nach Maßgabe der § 13 bis 17, b.    eine Wöchnerinnen-Unterstützung nach Maßgabe des § 18, ...
    [mehr]

  • Gesetze für Raucher nichts Neues!

    „Das Rauchen von Cigarren innerhalb des Orts ist nur in den Wohnstuben und auf den Straßen gestattet.“

    Schon 1859 unter Georg V. – dem letzten König von Hannover – gab es eine Vorlage für ein Gesetz zur Regelung des Rauchens. Danach durften Pfeifen ohne Deckel sowie Zigarren (Zigaretten gab es noch nicht) nur im Freien oder in ...
    [mehr]

  • Berechtigung zum Brauen von Hausbier

    Das Brauwesen im 19. Jahrhundert

    „Diesem tritt hinzu, daß die in Rede stehenden Hofbesitzer das Hausbier auch an Arbeiter verabfolgen, die nicht zu ihrem Hausstande gehören, was mit dem vorhin angeführten § 12 insofern unverträglich erscheint, als ...
    [mehr]

  • Die Besichtigung der Leine durch den Wasserbauinspektor

    Hochwasserschutz im 19. Jahrhundert

    „ebenso hat Vollmeier Kelb zu Lazen die angedrohete Strafe von 5 rtr [Reichstaler] zu erlegen, da derselbe die […] aufgegebene Uferbesserung nicht gemacht hatte, zumal die Gemeinde Lazen dadurch an der ausführung ihrer ...
    [mehr]

  • Eine Auseinandersetzung des Braumeisters Böhme mit der Gemeinde Laatzen – oder: „Das Leiden der Pfanne“

    Archivfund April 2021

    „Aller dieser Reparaturen ohnerachtet war dem Übel, ‚das Leiden der Pfanne‘, nicht abgeholfen und dauerte unaufhörlich bis in diesem Jahre 1829 fort, wo es sich denn endlich die Gemeinde angelegen seyn ließ, die ...
    [mehr]